Ich beantworte eure Fragen!
In den Kommentaren unter meinem YouTube Video, sowie auf verschiedenen Foren und Blogs, wurden Fragen zu den Anträgen auf DNA Tests gestellt, die möchte ich hier beantworten.
Doch zuerst: Ein gewisser ehemaliger Anwalt aus Texas hat sich zu meinem YouTube Video geäußert. In seinem Blogeintrag vom 24. Juli schrieb er, „Söring’s argument is technically accurate!“, was auf Deutsch bedeutet: „Sörings Argument ist formaljuristisch richtig!“
„Formaljuristisch“ ist natürlich das Einzige, was vor Gericht zählt. Es folgen lange Ausführungen darüber, ob ich persönlich wirklich wissen kann, dass sämtliche Beweismaterialien kontaminiert sind. Das brauch ich jedoch gar nicht selber wissen. Staatsanwalt Wesley Nance sagt es selber, und jedermann kann es im Film „Das Versprechen“ sehen.
Zudem ist Kontaminierung nur eines der drei juristischen Hindernisse, die einen Antrag meinerseits unmöglich machen. Die anderen sind die fehlenden Logbücher und die Unmöglichkeit, mit DNA Tests meine Unschuld zu beweisen. Damit befasst sich der texanische Ex-Anwalt überhaupt nicht. Zuletzt behauptet er, die Podcasterinnen würden keine Position zur Schuldfrage einnehmen. Das ist grober Unfug. Man höre sich bitte die letzten fünf Minuten der letzten Podcastfolge „The Decision“ an. Bitte die Kirche im Dorf lassen!
Und nun zu euren Fragen — und einer Anmerkung von mir zur DNA Datenbank ganz am Ende.
Kommentar: Was Söring zum Thema “Meineid” in dem Video sagt, ist weitgehend Unsinn: Es geht hier nicht darum, Untersuchungen zu beantragen, um das Verfahren neu aufzurollen. Die Bestimmungen, die Söring dort vorliest, sind daher garnicht relevant.
Antwort: Die Bestimmungen, die ich dort vorlese,sind eine absolute Vorbedingung, um den Antrag überhaupt einzureichen zu können. Es verhält sich genau wie bei einem Antrag auf Arbeitslosengeld: Man muss belegen, dass man arbeitslos ist, sonst kann man den Antrag nicht einreichen.
Kommentar: Es geht darum, daß der Staatsanwalt die zu untersuchenden Beweismittel freigibt (was zu tun er sich bereit erklärt hat). Die DNA-Tests würden dann von privat finanziert.
Antwort: Der Staatsanwalt benötigt keine Unterschrift von mir, um die zu untersuchenden Beweismittel testen zu lassen. Er ist Staatsanwalt: Er ist von Amts wegen ermächtigt, jederzeit alle Beweismittel, die unter seiner Kontrolle sind, testen zu lassen. Es stimmt nicht, dass er sich bereit erklärt hat, die Beweismittel zum Testen freizugeben. Im Gegenteil, er sagt: “I cannot proceed with a test that is likely to inject unanswerable questions into the case. (T)hese concerns were, and are, paramount in my unwillingness to request a retesting.” (Nance email, 8. Juli)
“(I)t’s my concern that we would inevitably inject new completely unanswerable questions into this case. This is something I will not do.” (Nance email, 13. Juli)
„Die DNA-Tests würden dann von privat finanziert“, schreiben Sie. Mich würde interessieren: von wem, genau? Schließlich soll ich doch mein Leben in die Hände dieser Menschen geben. Würden Sie ihr Leben, ihre Zukunft, unbekannten Menschen mit unbekannten Motiven überlassen?
Kommentar: In einem hat Söring allerdings recht: Diese Tests könnten nie seine Unschuld beweisen, nur seine Schuld, wenn seine DNA an einem tatbeteiligten Gegenstand gefunden wird. Und deshalb lehnt er solche Tests ab.
Antwort: Ich lehne die Tests nicht ab, ich habe zweimal darum gebeten: 2017 und in meinen Mails an Staatsanwalt Wesley Nance vom 7. und 8. Juli. Es stimmt, dass die Tests meine Unschuld nicht beweisen können — denn die Abwesenheit von DNA kann Unschuld nie beweisen. Schließlich könnte ich immer noch am Tatort gewesen sein und Glück gehabt haben. Deshalb kann ich den Antrag nicht einreichen: Es ist eine absolute Vorbedingung, dass die Testergebnisse meine Unschuld beweisen müssen. Tun sie das nicht, kann ich den Antrag nicht einreichen. Genau wie beim Antrag auf Hartz IV: Man muss beweisen, dass man arbeitslos ist, sonst gibt‘s keine Kohle. Vielleicht interessant: Aus diesem Grund kann Elizabeth Haysom den Antrag ebenfalls nicht einreichen. Sie wurde des Mordes im ersten Grad verurteilt, als Anstifterin. DNA Tests können nicht beweisen, dass sie nicht die Anstifterin war. Also kann sie keine Tests beantragen.
Kommentar: NIEMAND wirklich NIEMAND will JS zu einem Meineid drängen! Die Beweise , die untersucht werden sollen, sind die, wo die Wahrscheinlichkeit am höchsten ist, dass sie NICHT kontaminiert sind, wo die Lagerung nachvollziehbar ist UND die dazu geeignet sein können die Unschuld von JS zu belegen.
Antwort: „Wahrscheinlichkeit“ reicht natürlich nicht vor Gericht. Wesley Nance, der Staatsanwalt höchstpersönlich, sagt: Die Beweise sind kontaminiert, und die Lagerung ist nicht nachvollziehbar (d.h., die Verwahrkette ist nicht belegbar). Wem soll ich denn glauben? Irgendwelchen Podcastern, oder dem Staatsanwalt? Wie oben erwähnt können die Beweise meine Unschuld nicht belegen.
Kommentar: Das mit dem Logbuch ist korrekt. ABER das betrifft nicht alle Spuren ! Insgesamt wurden mehr als 200 Spuren damals gesichert. Davon sollen nun einige ( NICHT ALLE!!!) untersucht werden. Und zwar die, die höchstwahrscheinlich NICHT kontaminiert sind, weil da die Lagerung verfolgt werden konnte oder weil es Spuren sind, die man mangels Interesse bisher NICHT angefasst hat. Zum Beispiel das sichergestellte Haar im Waschbecken.
Antwort: Wesley Nance sagt ganz klar, dass es keine Logbücher (und daher keine belegbare Verwahrkette) für die Asservatenkammer gibt. Niemand weiß, wer über 30 Jahre hinweg in der Asservatenkammer war und was dort berührt wurde. Hierzu muss man noch Folgendes verstehen: Wenn es keine belegbare Verwahrkette für die Beweismaterialien in der Asservatenkammer gibt, dann sind die Testergebnisse juristisch wertlos — sie können gar nicht vor Gericht gebracht werden. Um einen Beweis — oder die Auswertung eines Beweises durch DNA Tests — vor Gericht zu bringen, muss erst einmal belegt werden, dass die Verwahrkette lückenlos war und ist. Deshalb achten Polizisten und Staatsanwälte üblicherweise so penibel auf das Einhalten der sog. „chain-of-custody“. Ohne belegbare Verwahrkette wird der Beweis — oder die Auswertung des Beweises durch DNA Tests — vom Richter gar nicht zugelassen. Das ist hier nicht der Fall. Zwar könnte man Tests durchführen, aber dann könnte man mit den Ergebnissen nichts machen.
Kommentar: Das Haar ist wirklich eine der interessantesten Spuren. Mit heutiger DNA Technik ließe sich unterscheiden, von wem es stammt und was nur Kontamination ist.
Antwort: Laut Wesley Nance lässt sich nicht unterscheiden, welches DNA aus der Tatnacht stammt und welches später dazukam:
“It would be impossible to differentiate from a contamination profile and a profile that has actual evidentiary value.” (Nance email, 7. Juli)
“(T)here would be no way to differentiate between a relevant profile from 1985 and a red herring from 1995, 2005, etc.” (Nance email, 11. Juli)
Kommentar: Klar, daß Söring davor (vor dem Haar im Waschbecken — Anm.) Angst hat. Er könnte der letzte gewesen sein, der dieses Waschbecken benutzt hat.
Antwort: Ich wurde definitiv als Quelle ausgeschlossen, siehe Gutachten vom 8. Februar 1990:
Die Opfer wurden ebenfalls aus Quelle ausgeschlossen, siehe das Gutachten zu den Blutgruppen Tests, Seite 6 (Item #11B), welches hier bereits verlinkt ist. Dieses Haar wurde nie mit Elizabeth Haysom verglichen. Bei meinem Prozess konnte der damalige Staatsanwalt nicht glaubwürdig erklären, wieso nicht. Er sagte, man wolle meinen Sockenabdruck vergleichen — was jedoch nicht erklärt, wieso das Haar nicht mit Elizabeth verglichen wurde. Aus dem Prozessprotokoll, 21. Juni 1990, Seite 180:
Sowohl der Ermittler Detective Sergeant a.D. Richard Hudson (in einer Mail) wie auch mein Anwalt Stephen Northup (in einem Telefonat) haben mir gesagt: Wenn DNA Tests ergeben, dass das Haar im Waschbecken Elizabeths DNA hat, dann würde dies immer noch nicht ihre Schuld beweisen — denn sie sei eine Woche davor im Haus gewesen. Das Haar hilft mir also überhaupt nicht weiter.
Kommentar: Die Beweismittel können kontaminiert sein, richtig, aber eben nicht mit Sörings DNA. Würde man seine DNA also an einem tatbeteiligten Gegenstand finden (z.B. Kleidung der Opfer) dann würde das seine Schuld vielleicht auch für Leute wie dich beweisen, die die ganze Latte an sonstigen Beweisen aus unerfindlichen Gründen ignorieren.
Antwort: Das ist logisch schlüssig — aber genau das macht es auch unmöglich für mich, den Antrag einzureichen. Denn ich kann die DNA Tests nur beantragen, wenn sie meine Unschuld („actual innocence“) beweisen. Wenn sie nur meine Schuld beweisen können, kann ich den Antrag nicht einreichen.
Kommentar: Eine solche Untersuchung hätte auch Potenzial Söring freizusprechen. Nämlich dann, wenn tatsächlich eine weitere DNA gefunden werden würde, die NICHT kontaminiert ist und NICHT Söring gehört. Die Petition erfüllt also sehr wohl ALLE Kriterien um neue Untersuchungen zu beantragen OHNE, dass Söring einen Meineid leistet.
Antwort: Es stimmt nicht, dass meine Unschuld bewiesen sein würde, wenn die DNA von anderen Tätern identifiziert würde: z.B. das DNA von William Shifflett oder Robert Albright auf den Bierdosen. Denn ich könnte immer noch die Tat begangen haben, mit diesen beiden Komplizen zusammen.
Kommentar: Sie sagen ja, Elisabeth hat es getan. Sie hat die Blutgruppe B, korrekt? Dann ist doch die Blutgruppe 0, von der fremden Person (beispielsweise von Beamten, die sind damals sicher noch nicht so sorgsam mit allen umgegangen, sagt Terry Wright) völlig unerheblich. Es sagt nichts über ihre Unschuld aus, sondern nur, dass nicht sorgsam mit den Beweisen umgegangen wurde.
Antwort:
Es wurde Blut der Blutgruppe B am Tatort gefunden, siehe das Gutachten zu den Blutgruppen Tests, Seite 9 (Item #38K), welches hier bereits verlinkt wurde. Es ist unstrittig, dass Elizabeth Blut der Blutgruppe B hatte, siehe aber auch Gutachten des 18. November 1985. Die Forensikerin Mary Jane Burton sagte zuerst aus, dass die Probe der Blutgruppe B unter gewissen Umständen möglicherweise Blutgruppe AB sein könnte. Doch im Kreuzverhör sagte sie, ihr Testergebnis sei eindeutig Blutgruppe B und dieses Ergebnis sei „wahr und korrekt“. Aus dem Prozessprotokoll, 13. Juni 1990, Seite 24:
2009 wurde die Probe der Blutgruppe B auf DNA untersucht, aber es wurden keine Ergebnisse erreicht. Siehe das Gutachten zu DNA Tests, Seite 4 (Item # 38K), welches hier bereits verlinkt wurde.
Kommentar: Hab gerade auf Allmystery gelesen, dass jmd nicht versteht, warum 2009 getestet wurde und jetzt nicht. Will das Mal beantworten, weil ich das auch nachgucken musste. 2009 wurde Blutproben getestet, die in einem Labor verwahrt würden. Hier geht es aber um Beweismaterial (also etwas was man anfassen kann und was für alle zugänglich war, in der Asservatenkammer) daher ist das auch kontaminiert.
Antwort: Tatsächlich ging es 2009 um Proben, die im forensischen Institut Virginias zufällig gefunden wurden, siehe unten. Bezüglich dieser Proben sagt Staatsanwalt Wesley Nance, er habe verifiziert, dass sie bei den DNA Tests 2009 vollkommen aufgebraucht wurden, dort gibt es also nichts mehr zu testen:
“We have verified that those samples/swabs were completely used up during that reevaluation and there is nothing left to test.” (Nance email, 13. Juli)
Selbst wenn es dort — im forensischen Labor — noch etwas zu testen gäbe, würden jedoch genau die gleichen Probleme bestehen wie mit den Beweismaterialien in der Asservatenkammer:
(1) es gibt keine belegbare Verwahrungskette,
(2) die Proben sind kontaminiert,
(3) die Testergebnisse können meine Unschuld nicht beweisen — weil die Abwesenheit meiner DNA nicht beweisen kann, dass ich nicht trotzdem am Tatort war.
Bei den Proben im Labor muss man sich damit befassen, woher sie stammen. Das haben die Podcasterinnen entweder übersehen oder unterschlagen. In den 1970er und -80er Jahren hatte sich die Forensikerin Mary Jane Burton anscheinend angewöhnt, Blutproben aus dem Labor zum jeweiligen Prozess mitzubringen. Dort sagte sie vor den Geschworenen aus und zeigte ihnen die Proben, die sie getestet hatte. Nach dem Prozess heftete sie diese Proben in den Akten ab, ohne sie jedoch in irgendeiner Weise zu sichern. Hier ist ein Artikel dazu vom 16. Dezember 2005:
Interessanterweise besagt dieser Artikel, dass Burtons Vorgehensweise ein Verstoß gegen die Regeln war. Der Grund wird nicht genannt, aber ich denke, es ist ganz einfach: Burton unterbrach die Verwahrkette. Sie brachte Proben per Hand vom Labor zum Gericht und zurück, ohne dass der Transport jemals in Logbüchern vermerkt wurde. Rein juristisch gesehen waren die Testergebnisse daher eigentlich wertlos. Hätte ein Strafverteidiger davon erfahren, hätten die daraus resultierenden Urteile womöglich gekippt werden müssen. Zudem weiß man nicht, wer die Proben im Gerichtssaal berührte. Womöglich der Staatsanwalt, vielleicht auch der Strafverteidiger. Gern geben US-amerikanische Anwälte bestimmte Beweise auch den Geschworenen selber, damit sie sie anfassen können.
Viele Jahre später wurde Burtons Vorgehensweise zufällig entdeckt, als der Direktor des Labors Dr. Paul Ferrara alte Proben in einer Akte fand. Daraufhin ordnete Gouverneur Mark Warner an, sämtliche Akten im forensischen Instituts durchsuchen und alle darin auffindbaren Proben auf DNA testen zu lassen. So wurden auch die Proben in „meinem“ Fall, dem Mordfall Haysom, getestet. Hier ist ein ausführlicher Bericht der Regierung des US-Bundesstaats Virginia dazu, Seiten 7 bis 12 sind für uns relevant:
Leider war Burton keine besonders gute Forensikerin. Unter anderem war sie mitverantwortlich für das Fehlurteil gegen Willie Davidson:
Zum Abschluss noch eine Anmerkungen von mir zur DNA Datenbank:
Staatsanwalt Wesley Nance ist von Amts wegen befugt, alle Beweismaterialien, die unter seiner Kontrolle liegen, jederzeit testen zu lassen — ohne eigenen Antrag, selbstverständlich auch ohne Antrag von mir. Allerdings ist er nicht befugt, die daraus resultierenden Testergebnisse zum Abgleich in die DNA Datenbank einzugeben. Die DNA Datenbank ist ein föderales Projekt und unterliegt föderalen Gesetzen. Weil es um genetische Profile geht, bestehen besondere Vorkehrungen, um die Privatsphäre zu schützen. Daher dürfen Staatsanwälte DNA Profile zum Abgleich eingeben — aber nur, wenn der Fall „offen“ ist („open case“). Der Mordfall Haysom ist jedoch definitiv nicht „offen“.